Die Wissenschaft vom Sitzen

Zu Forschungen der ETH Zürich und Innovationen von Vitra

Der Mensch hat einen natürlichen Bewegungsdrang – auch im Sitzen. Eine Studie der ETH Zürich zeigt: Ein Bürostuhl soll im Idealfall nicht nur Bewegungsfreiheit bieten, sondern ein dynamisches Bewegungssitzen fördern. Vor diesem Hintergrund hat Vitra die FlowMotion-Mechanik entwickelt.

Entstehung einer neuen Wissenschaft

Zu Beginn der fünfziger und sechziger Jahre gab es einen grossen Wandel bei der Betrachtung der menschlichen Bewegungen im Alltag und im Sport. Es entstand das Bedürfnis, Bewegungen und Belastungen zu quantifizieren. Ziel war es, aus einer Kombination von biologischen und physikalischen Untersuchungen neue Erkenntnisse zu gewinnen. Auch die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH) befasste sich mit dem Thema Biomechanik und legte den Grundstein ihrer Forschung mit der Veröffentlichung der „Untersuchung der Mechanik menschlicher Bewegung“ im Jahre 1961. Daraus entwickelte sich das Institut für Biomechanik mit heute vier Professuren und mehr als 80 Mitarbeitenden.

Der Bürostuhl - Innovationen von Vitra

Etwa zur selben Zeit wie die ETH in Zürich startete Vitra im 80 Kilometer entfernten Birsfelden eigene Forschungen im Bereich der Ergonomie, experimentierte mit Materialien und Technologie. Im Zentrum stand der Bürostuhl als wichtiges Möbelstück im Büro. Jahr für Jahr brachte Vitra neue Entwicklungen auf den Markt, von der ersten Synchronmechanik im Vitramat 1976 über den T-Chair mit torsoförmiger Rückenlehne oder den HeadLine, der den Kopf bei zurückgelehnter Arbeitsposition stützt. Den vorläufigen Höhepunkt schaffte Vitra zusammen mit dem Designer Antonio Citterio 2010 mit dem ID Chair Concept, einem hochgradig individualisierten Stuhlsystem mit einer neuentwickelten FlowMotion-Mechanik.

Die FlowMotion-Mechanik

Bereits 2010 führte die ETH eine wissenschaftliche Studie durch, um den Nutzen des ID Chair mit FlowMotion-Mechanik für die Gesundheit zu untersuchen. Da der Mensch im Büroalltag lange sitzt und sich daraus unterschiedliche Probleme wie Nackenverspannung oder Rückenbeschwerden ableiten lassen, untersuchte die ETH Bürostühle und verschiedene Sitzkonzepte. Die Position der Wirbelsäule wurde dabei in einem offenen Magnetresonanz-Tomographen bestimmt. Über Druckmatten im Stuhl konnten verschiedene Polsterschäume verglichen werden, über spezielle Sensoren und Fragebögen wurde das Sitzverhalten erfasst. Das Kernergebnis der Studie: Man fand heraus, dass nach vorn geneigte Bewegungen eines Stuhls die Bauchmuskulatur sowie den sogenannten „Erector spinae“, der die Wirbelsäule aufrichtet, aktiviert.

Dynamisches Sitzen

Der Mensch hat einen natürlichen Bewegungsdrang, und wenn ein Stuhl viele Bewegungsmöglichkeiten bietet, werden diese nachweisbar auch genutzt – indem wir dynamisch sitzen, uns nach vorn und hinten lehnen. Aus dieser Überlegung heraus entstand die FlowMotion-Mechanik. Mit zahlreichen Einstellmöglichkeit ausgestattet, bildet sie die Basis eines jeden ID Chair. Dynamisches Sitzen und der Wechsel zwischen Sitzen und Stehen sind das Beste, was man für seinen Körper während eines Büro-Arbeitstages tun kann. Doch letzten Endes geht es gar nicht so sehr um den Stuhl – ob allein oder in der Gruppe, wir alle haben einen bestimmten Ort, an dem wir uns entspannen können, unser physisches Selbst vergessen und uns ausschliesslich auf unseren Geist konzentrieren. Wie wäre es, wenn wir dort jeden Tag sitzen könnten?

Veröffentlichungsdatum: 18.7.2013
Autor: Christiane Bördner
Bild: Wolfgang Scheppe



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