Über Charles und Ray

Interview mit Kuratorin Jolanthe Kugler

Noch bis zum 25. Februar 2018 präsentiert das Vitra Design Museum «An Eames Celebration»: Vier Ausstellungen auf dem Vitra Campus geben Einblicke in das Werk des amerikanischen Designerpaares Charles und Ray Eames – so umfassend wie nie zuvor. Ein Gespräch mit der Kuratorin.
Mit ihren Möbeln, aber auch mit Filmen, Büchern, Ausstellungen und Medieninstallationen beeinflussten Charles und Ray Eames Generationen von Gestaltern und prägen auch heute noch unsere Alltagskultur. Wie geht man als Kuratorin mit dieser Vielfalt um, wie nähert man sich der Konzeption einer Retrospektive?

Am Anfang steht das Sichten des Materials, das Forschen in Archiven, das Lesen, das Befragen von Experten. Aus diesem gesammelten Wissen heraus haben wir unterschiedliche Schwerpunkte festgelegt – inhaltlich wie räumlich. An vier verschiedenen Ausstellungsorten auf dem Vitra Campus zeigen wir eine grosse Übersichtsschau: die von Catherine Ince und dem Team der Barbican Art Gallery konzipierte und von uns für das Vitra Design Museum adaptierte Ausstellung «Charles & Ray Eames. The Power of Design» und drei kleinere thematische Vertiefungen an eigenen Standorten . Im Laufe der Ausstellungsvorbereitungen fanden wir nochmals bestätigt, was wir eigentlich schon wussten: Charles und Ray Eames gehören zu den bedeutendsten Kreativen des 20. Jahrhunderts. Unterstützt von einer Handvoll talentierter Mitarbeiter leisteten die Eames auf zahlreichen Gebieten Pionierarbeit. Weltberühmt wurden sie aber vor allem durch ihre über 100 Möbelentwürfe.

In welchem gesellschaftlichen Rahmen entstand das Werk von Charles und Ray?

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatten sich die Gesellschaft und damit auch die Bedürfnisse der Menschen radikal verändert. In allen Bereichen wurde Althergebrachtes in Frage gestellt oder sogar über Bord geworfen. Die Architekten stellten sich gegen den Klassizismus, die Maler gegen die gegenständliche Darstellung einer vermeintlichen Wirklichkeit. Die Fotografie zeigte eine neue Wirklichkeit, der Film brachte neues Wissen über Licht, Schatten, räumliche Darstellung und Bewegung. Und dann entstand mit der Entwicklung von Autos, Flugzeugen und technischen Geräten eine ganz neuartige Formensprache. Frauen durften studieren und einen Beruf ergreifen, die Menschen wurden mobiler. Familien und mit ihnen die Häuser wurden kleiner. Und damit entwickelten sich auch die Ansprüche an den Wohnraum. Die Eames versuchten, diesen sich verändernden Bedürfnissen zu begegnen.

Charles und Ray waren verheiratet und – ungewöhnlich für diese Zeit – auch beruflich in einer Partnerschaft. Wie beschreiben Sie ihr Arbeitsverhältnis?

Die Zusammenarbeit der beiden war für die damalige Zeit so ungewöhnlich wie fruchtbar. Es war sowohl eine Lebens- als auch eine Arbeitsgemeinschaft, in der sich Rays künstlerisch geschultes Auge, ihr Verständnis für konzeptionelles Denken, strukturelle Zusammenhänge und gestalterische Konsequenz mit der technischen Begabung, dem handwerklichen Können und der ausgeprägten Experimentierfreude von Charles verband.

Das Einzigartige ihrer Partnerschaft bestand dabei nicht einfach darin, viele verschiedene Dinge – und all diese Dinge auf höchstem Niveau – gemacht zu haben, sondern vielmehr in der Einheitlichkeit ihrer Herangehensweise an die unterschiedlichsten Probleme. Jede einzelne Aufgabe wurde von den beiden unter zahlreichen Gesichtspunkten betrachtet, künstlerischen ebenso wie technischen, sozialen ebenso wie ökonomischen, und ihre Lösung musste auf allen Gebieten befriedigende Antworten liefern.

Einer der Ausstellungsbereiche beschäftigt sich ausschliesslich mit dem Thema Spielzeug. Warum waren die Eames von Masken, Drachen, Puzzles und Kartenhäusern fasziniert?

Beim Spielen lernt das Kind – oder der Erwachsene – die Welt zu begreifen. Die Ausstellung »Play Parade« in der Vitra Design Museum Gallery thematisiert diese Auffassung von Charles und Ray. Die Welt wird im Spiel unvoreingenommen betrachtet und Imagination und Kreativität werden gefördert. Diese «spielerische» Herangehensweise übertrugen die Eames auf alle ihre Projekte. In der Ausstellung zeigen wir von den Eames entworfene Spielzeuge und Kurzfilme ebenso wie Objekte aus ihrer Spielzeugsammlung in einer raumfüllenden Installation. Eine Ausstellung zum Entdecken, zum Anfassen, zum Mitmachen, für Kinder und Erwachsene.

Über die Ausstellungen


Im Zentrum des Ausstellungsparcours «An Eames Celebration» steht die große Retrospektive «Charles & Ray Eames. The Power of Design», die im Hauptgebäude des Vitra Design Museums gezeigt wird. Im Feuerwehrhaus wird unter dem Titel «Ideas and Information. Die Eames-Filme» eine Auswahl der über 100 Filme der Eames’ präsentiert, während in der Vitra Design Museum Gallery die Ausstellung «Play Parade. Eine Eames- Ausstellung für Kinder» dazu einlädt, die vielen Spielobjekte des Designerpaares zu entdecken und auszuprobieren. Im Vitra Schaudepot wiederum ist die Ausstellung «Kazam! Die Möbelexperimente von Charles & Ray Eames» zu sehen. Pünktlich zum 110. Geburtstag von Charles Eames wird auch die Sammlung Eames des Vitra Design Museums in ihrer ganzen Breite vorgestellt, die neben den Serienmodellen einen wichtigen Teil von Charles und Ray Eames’ eigenem Möbelarchiv umfasst. Dieses befindet sich seit 1988 im Vitra Design Museum und umfasst einen Grossteil der Prototypen und Entwicklungsmodelle, die im Eames Office entwickelt wurden.

Mehr Informationen zum Thema Eames Möbeln gibt es im eben veröffentlichten Buch "Eames Furniture Sourcebook", das auf Deutsch und Englisch vom Vitra Design Museum herausgegeben wird und im Buchhandel oder direkt über den VDM Verlag erhältlich ist.
Zum Vitra Design Museum

Veröffentlichungsdatum: 26.10.2017
Autor: Vitra
Bilder: Jolanthe Kugler. Foto: Florine Leoni, Copyright: Vitra. Werbefoto von «The Toy» als Flugzeug © Eames Office LLC. Ray Eames sitzt in einem experimentellen Lounge Chair, 1946 © Eames Office LLC. Werbebroschüre für die Eames Aluminium Group von Herman Miller, 1958 © Herman Miller Archives. Anzeige zu den Eames Plastic Armchair Modellen, Herman Miller Katalog, 1952 © Herman Miller Archives. Charles and Ray im Wohnzimmer des Eames House, 1958 © J. Paul Getty Trust, Los Angeles, Foto: Julius Shulman. Charles und Ray Eames, Prototypen für «Spielzeugmasken», 1950 © Eames Office LLC



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