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Der Eames Plastic Chair – für eine nachhaltigere Zukunft!
Interview mit Thomas Schweikert und Eames Demetrios
Bei einem der bedeutendsten Stuhlklassiker des 20. Jahrhunderts wurde ein Materialwechsel durchgeführt. Im Rahmen der Umweltmission von Vitra wird der Eames Plastic Chair seit Januar 2024 aus recyceltem Post-Consumer-Polypropylen hergestellt – einem Material, das am Ende des Produktlebens ebenfalls wieder recycelt werden kann.
Im folgenden Interview befragt Vitra zwei Fachexperten zu diesem Materialwechsel: was er für einen ikonischen Klassiker bedeutet und welche technischen Herausforderungen auf dem Weg dorthin aufgetreten sind. Eames Demetrios ist Direktor des Eames Office und einer der fünf Enkel von Charles und Ray Eames, während Thomas Schweikert als Technical Lead in Sustainability and Research bei Vitra tätig ist und mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Produktentwicklung des Unternehmens hat.
Wenn wir über Kunststoffrecycling sprechen, muss man unbedingt zwischen Post-Consumer- und Post-Industrial-Kunststoffen unterscheiden. Für Vitra ist die Verwendung von Post-Consumer-Materialien von Bedeutung, da es sich um Kunststoff handelt, der bereits für einen anderen Zweck genutzt wurde, und der, wenn er nicht recycelt werden würde, im Prinzip in der Müllverbrennungsanlage enden würde. Post-Industrial-Kunststoffe sind dagegen ein Restmaterial aus einem Herstellungsverfahren, entweder in Form von Abfallmaterial oder Ausschussware. Genau genommen sind Post-Industrial-Kunststoffe also immer noch ein reines Material. Durch die Verwendung von Post-Consumer-Material kann Vitra jedoch den grössten Unterschied machen und die grösstmögliche Wirkung im Hinblick auf die CO2-Bilanz des Unternehmens erzielen.
Bei der Suche nach einer Quelle für Post-Consumer-Materialien mit qualitativ hochwertigem gebrauchtem Kunststoff haben wir uns für das Recyclingprogramm «Gelber Sack» entschieden. Denn der Abfall, der in diesem System gesammelt wird, besteht aus sauberem, fast reinem Polymer und das Plastik stammt aus Deutschland, also aus der Nähe unserer Fertigungsstätten.
Im folgenden Interview befragt Vitra zwei Fachexperten zu diesem Materialwechsel: was er für einen ikonischen Klassiker bedeutet und welche technischen Herausforderungen auf dem Weg dorthin aufgetreten sind. Eames Demetrios ist Direktor des Eames Office und einer der fünf Enkel von Charles und Ray Eames, während Thomas Schweikert als Technical Lead in Sustainability and Research bei Vitra tätig ist und mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Produktentwicklung des Unternehmens hat.
Thomas, beginnen wir ganz am Anfang: Bis Ende des vorigen Jahres gab es den Eames Plastic Chair in Polypropylen. Dies ist das dritte Materialwechselprojekt, das Vitra in Zusammenarbeit mit dem Eames Office seit der Einführung des Eames Shell Chair 1950 vorgenommen hat. Wann hat sich Vitra dafür entschieden, das Material erneut zu wechseln und recyceltes Post-Consumer-Polypropylen, anstatt reinem Polypropylen zu verwenden?
TS: Bei Vitra spielen Materialien eine äusserst wichtige Rolle, da die Beschaffung, Verarbeitung und Verwendung in Produkten ungefähr 80 % der gesamten CO2-Bilanz des Unternehmens ausmachen (vgl. CO2-Bilanz von Vitra 2022). Deshalb versucht Vitra, Materialien zu verwenden, die möglichst nachhaltig sind und eine möglichst geringe Umweltbelastung haben. Der Materialwechsel beim Eames Plastic Chair begann vor ungefähr zwei Jahren. Ich bin bei Vitra hauptsächlich dafür verantwortlich, eine «nachhaltige» Perspektive auf das Designportfolio zu haben und herauszufinden, welche Produkte sich für einen Materialwechsel und somit eine nachhaltigere Alternative mit geringerer Umweltbelastung eignen. Natürlich haben wir mit den beliebtesten Designs angefangen, wozu auch der Eames Plastic Chair aus Polypropylen gehört. Polypropylen ist bereits ein wiederverwertbares Material. Wir hatten es uns jedoch zum Ziel gesetzt, die Sitzschale auch aus einem Recyclingmaterial herzustellen, das dann ebenfalls am Ende der Produktlebensdauer wiederverwertet werden kann.Wenn wir über Kunststoffrecycling sprechen, muss man unbedingt zwischen Post-Consumer- und Post-Industrial-Kunststoffen unterscheiden. Für Vitra ist die Verwendung von Post-Consumer-Materialien von Bedeutung, da es sich um Kunststoff handelt, der bereits für einen anderen Zweck genutzt wurde, und der, wenn er nicht recycelt werden würde, im Prinzip in der Müllverbrennungsanlage enden würde. Post-Industrial-Kunststoffe sind dagegen ein Restmaterial aus einem Herstellungsverfahren, entweder in Form von Abfallmaterial oder Ausschussware. Genau genommen sind Post-Industrial-Kunststoffe also immer noch ein reines Material. Durch die Verwendung von Post-Consumer-Material kann Vitra jedoch den grössten Unterschied machen und die grösstmögliche Wirkung im Hinblick auf die CO2-Bilanz des Unternehmens erzielen.
Bei der Suche nach einer Quelle für Post-Consumer-Materialien mit qualitativ hochwertigem gebrauchtem Kunststoff haben wir uns für das Recyclingprogramm «Gelber Sack» entschieden. Denn der Abfall, der in diesem System gesammelt wird, besteht aus sauberem, fast reinem Polymer und das Plastik stammt aus Deutschland, also aus der Nähe unserer Fertigungsstätten.
Bitte erklären Sie das System des «Gelben Sacks».
TS: Das System «Gelber Sack» wurde 1993 von der deutschen Bundesregierung eingeführt und wird seit drei Jahrzehnten erfolgreich genutzt. Es wird zum Sammeln von lebensmittelverträglichen Materialien verwendet, insbesondere von gebrauchten Haushaltsverpackungen, und enthält daher sehr wenig Materialabweichungen. Die Lieferkette ist somit sicher und stabil, was für ein qualitativ hochwertiges Recyclingmaterial sorgt. Die Gelben Säcke werden einmal im Monat gesammelt und zu einer lokalen Recyclinganlage transportiert. Der Lieferant von Recylingkunststoffen für den Eames Plastic Chair RE ist eines der erfahrensten und technisch am besten ausgestatteten Recyclingunternehmen in Deutschland.Wie auch einige andere Mitarbeiter von Vitra leben Sie in Deutschland in der Nähe der Schweizer Grenze und nehmen auch selbst am Recyclingsystem «Gelber Sack» teil. Es muss also interessant für Sie sein, ein indirekter Lieferant für die neuen Eames Shell Chairs zu sein?
TS: Stimmt, theoretisch bin ich das und es ist tatsächlich ein interessanter Gedanke! Der Weg von der Sammlung meines Gelben Sacks zur Transformation des Inhalts in einen Stuhl ist allerdings ziemlich lang. Zuerst muss der Post-Consumer-Kunststoff gereinigt und in unterschiedliche Kunststoffsorten und Qualitätsgrade unterteilt werden. Dann werden die Teile in Farben aufgeteilt: ein dunkler Farbton, ein heller Farbton und ein Grauton. Schliesslich wird das Material granuliert und für die Verwendung in der Herstellung vorbereitet. Ich bin froh, dass wir aus lokalen Abfallprodukten etwas Schönes schaffen können.Können Sie sich vorstellen, weitere Produkte aus diesem Material herzustellen?
TS: Mit dem Stuhl Tip Ton RE, Accessoires wie Toolbox RE, Locker Box und Drop Box, dem Hocker Chap, der gesamten Stuhlfamilie HAL RE und jetzt auch dem Eames Plastic Chair RE, versuchen wir, dieses Material zunehmend als nachhaltigere Lösung im Vergleich zu reinem Material zu verwenden. Es geht hier nicht nur darum, komplette Produkte daraus herzustellen, sondern auch Einzelkomponenten, die sich in manchen Fällen im Inneren eines Produkts befinden, und für den Nutzer gar nicht sichtbar sind. Wir planen bis 2030 die Umsetzung eines Materialwechsels für alle aus Kunststoff hergestellten Entwürfe von Vitra.Eames, als Direktor des Eames Office und als Enkel von Charles und Ray Eames, waren Sie von Anfang an an dem Materialwechselprojekt beteiligt und waren sofort von der Idee überzeugt. Blicken wir einmal in die Vergangenheit und betrachten wir die Herangehensweise von Charles und Ray Eames an die Designentwicklung. Was denken Sie, würden Charles und Ray zu diesem Materialwechsel sagen?
ED: Post-Consumer-Kunststoff ist eigentlich immer in der Mülldeponie gelandet. Stattdessen können die gleichen Materialien jetzt dazu verwendet werden, ein Produkt herzustellen, dass wahrscheinlich gar nicht recycelt werden wird. Mit anderen Worten: Vitra durchbricht mit der Herstellung von Eames-Klassikern dieses System. Charles und Ray wussten, dass der Wandel in der modernen Welt eine Konstante ist. Charles sagte sogar: Um wirklich sicher zu sein, muss man sich der Veränderung sicher sein. Sie hätten zweifelsohne den Nachhaltigkeitsfokus begrüsst. In den letzten Jahrzehnten, als unsere Generation das Eames Office geleitet und betrieben hat, ist mir bewusst geworden, wie wichtig eine weitere Art der Authentizität für Charles und Ray war. Und zwar ist dies die Idee, dass der Stuhl, den die Eames wirklich entworfen haben, eigentlich der Stuhl ist, den Vitra morgen herstellt.Zufälligerweise führte die Begeisterung der Eames für die kontinuierliche und bedachte Verbesserung von Entwürfen, die sich bereits in der Produktion befanden, zu besonderen Partnerschaften mit bewährten Herstellern. Als Charles und Ray noch lebten, waren sie im Dialog mit den Herstellern – angeführt von begabten Leuten wie Rolf Fehlbaum von Vitra – die Fürsprecher ihrer Entwürfe. Dieses System des kontinuierlichen Designdialogs stellte sicher, dass jedes Produkt, das die Fabrik verliess, den Nutzern die wahre Erfahrung von Funktion, Ästhetik und Qualität bot, die Charles und Ray beabsichtigt hatten.
Denken Sie, dass Charles und Ray ihre eigene Umweltmission hatten?
ED: Auf jeden Fall. Sie benutzten zwar nicht genau diese Wortwahl, aber der Designansatz von Charles und Ray Eames war an sich eine Umweltmission. Die Methode von Charles und Ray, tatsächliche Bedürfnisse zu ergründen und durch einen Experimentierprozess nach dem Versuch-und-Irrtum-Prinzip Lösungen zu finden, unterscheidet ihre Arbeit von Entwürfen, die sich einzig und allein auf neue Formen und Trends beschränken. Aus diesem Grund bleiben Eames-Produkte auch weiterhin relevant, während formbasierte Entwürfe an Bedeutung verlieren, sobald sich der nächste Trend abzeichnet. Aus meiner Sicht ist diese wichtige Lektion der Langlebigkeit der Grundpfeiler des Nachhaltigkeitsansatzes von Vitra.Meine Grosseltern waren an guten Lösungen interessiert. Wenn sie eine gute Lösung fanden, arbeiteten sie weiter daran und entwickelten sie weiter. Zum Beispiel begann die Eames Shell Chair-Familie mit einem Armchair und dann folgte ein Side Chair. Es wurden eine Reihe von Untergestellen in verschiedenen Materialien für unterschiedliche Zwecke entwickelt (zum Stapeln, Schaukeln, Sitzen, Drehen), die alle mit den unterschiedlichen Sitzschalenmodellen kombiniert werden konnten. Dieser Systemansatz war in den 1950er Jahren eine absolute Neuheit.
Der Designprozess der Eames beruht stark auf dem Prinzip «Trial and Error» (Versuch-und-Irrtum), bei dem einige Ideen verworfen werden und andere sich bewähren. Die Inkaufnahme von Fehlschlägen ist ein wichtiger Bestandteil jeder neuen Designentwicklung, wozu auch das Testen von neuen Materialien gehört. Thomas, welche Herausforderungen sind Ihnen bei der Entwicklung des Eames Plastic Chair aus recyceltem Polypropylen begegnet?
TS: Zu Beginn dauerte es sehr lange, einen Geschäftspartner für Post-Consumer-Kunststoff zu finden, da es dafür noch keinen bestehenden Prozess auf dem Markt gab. Während mehrere unserer Mitbewerber mit Post-Industrial-Kunststoff arbeiten, wollten wir bei Vitra wenn möglich Post-Consumer-Kunststoff verwenden. Diese zwei Umweltkonzepte sind sehr unterschiedlich und letzteres ist sicher die nachhaltigste Lösung, da wir Materialien wiederverwerten und diese wieder in den Verwertungszyklus zurückführen. Wir haben über einen längeren Zeitraum hinweg Stabilitätsprüfungen durchgeführt, da das Recyclingmaterial eine andere Materialstärke und leicht grössere Abweichungen bei den Materialeigenschaften aufweist. Zu den Bewertungen gehörte auch eine ausführliche Phase mit UV-Beständigkeitsprüfungen. Letztendlich mussten wir mehrere hundert Sitzschalen herstellen, bevor wir schliesslich eine Lösung fanden, die unseren hohen Qualitätsanforderungen entsprach.Inwiefern wird die Verwendung von recyceltem Post-Consumer-Polypropylen im Vergleich zu reinem Material einen Unterschied machen?
TS: Die Verwendung von Recyclingmaterial wirft natürlich die Frage nach der CO2-Bilanz auf. Wir haben schon frühzeitig die tatsächliche Differenz zwischen der Verwendung von reinem Material und Post-Consumer-Kunststoff berechnet. Das Post-Consumer-Material setzt weniger als die Hälfte der CO2-Emissionen von reinem Material frei.Eames und Thomas, Sie haben beide den neuen Stuhl aus Post-Consumer-Recycling-Polypropylen getestet. Sind Ihnen dabei Unterschiede im Hinblick auf Komfort und Qualität aufgefallen?
ED: Der einzige Unterschied liegt in der Optik. Aufgrund der Zusammensetzung der Recyclingmaterialien sind die unterschiedlichen Farbversionen der Sitzschalen von kleinsten Pigmentpartikeln durchsetzt, und wenn Sie mich fragen, macht genau dies den ganz besonderen Reiz dieses Stuhles aus.TS: Das sehe ich auch so.
Die Umstellung auf RE-Kunststoffe ist ein wichtiger Schritt von Vitra in Richtung Nachhaltigkeit. Welche anderen Nachhaltigkeitsprojekte planen Sie für die Zukunft?
TS: Bei Polstermöbeln sehen wir uns nach Alternativen zum bestehenden Polyurethanschaum um und wir möchten einen höheren Prozentsatz an recycelten Textilien verwenden. Grundsätzlich suchen wir nach Materialien, die am Ende der Produktlebensdauer einfach trennbar sind, zum Beispiel Monomaterialien. Ausserdem haben wir ein Rücknahmeprogramm eingeführt, das weiter ausgebaut wird, und wir haben in einigen europäischen Ländern Vitra Circle Stores eröffnet. Alles in allem liegt unser Hauptaugenmerk auf den im technischen Kreislauf verwendeten Materialien. Wir möchten also ein Kreislaufsystem schaffen.2022 eröffnete im Vitra Design Museum die Ausstellung «Plastik. Die Welt neu denken». Diese bietet eine kritische und differenzierte Neubewertung der modernen Nutzung von Kunststoff und wurde seitdem auch in anderen internationalen Designmuseen präsentiert. Die Ausstellung ist noch bis zum 23. Juni 2024 im National Museum of Singapore zu sehen.
Veröffentlichungsdatum: 12.4.2024
Autor: Stine Liv Buur
Bilder: alle © Vitra ausser Bilder 1 und 6 © Eames Office, LLC